Kinder / Jugendliche

Armut: Kinder reagieren mit Depressionen

Jena (dpa) - Ärmliche Verhältnisse im Elternhaus führen laut einer Studie der Fachhochschule Jena zu gesundheitlichen Schäden der Kinder. «Bauchweh, Kopfschmerzen und Depressionen sind typische Symptome bei von Armut betroffenen Kindern», sagte Professor Karl August Chassé in einem dpa-Gespräch. Drei Jahre lang befragte der Sozialwissenschaftler 14 Familien aus dem Raum Jena, die mit einem Minimum an Geld auskommen müssen, also meist von Sozialhilfe leben. Sehr deutlich zeigt sich die Armut laut Studie in Ernährungsfragen: «Es werden billige und minderwertige Nahrungsmittel gekauft und zum Monatsende gibt es aus Geldmangel keine regelmäßigen Mahlzeiten mehr», sagte der 55-Jährige. Was für das Essen gilt, ist bei der Kleidung ähnlich. Markenware sei für arme Familien tabu. Die Kinder trügen eher gebrauchte Kleidung oder Sachen vom «Polen- und Tschechenmarkt». Damit würden sie von ihren Klassenkameraden als anders wahrgenommen und teilweise ausgegrenzt. Wenig Gefallen fänden auch Lehrer an den Kindern armer Herkunft. Sie hätten häufig Konzentrationsprobleme, seien leistungsschwach und störten den Unterricht. Schwer hätten es arme Kinder vor allem deshalb, weil ihr Aktionsradius im Vergleich zu Gleichaltrigen sehr gering sei. «Die Eltern haben kein Geld für Urlaubsreisen und kostenintensive Unternehmungen», erläuterte Chassé. «Außerdem können sie die Neigungen ihrer Sprösslinge nicht unterstützen.» Gefragt sind hier laut Studie vor allem Offenheit der Eltern und soziale Netzwerke. Es gebe nur einzelne Kinder, die von der finanziellen Lage der Eltern nicht seelisch oder körperlich beeinträchtigt werden. Ausgleichend wirkten hier vor allem Freundschaften, Großeltern und weitere Verwandte. Schulen und Kindertagesbetreuung dagegen versagten. Deshalb fordert Chassés Forschungsgruppe, Ganztagsschulen auszubauen, die Begabungsförderung stärker an Schulen zu binden und sozialpolitischen Rahmenbedingungen für arme Familien zu verbessern. Nach Meinung des Jenaer Professors ist die Überlegung, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen, das falsche Signal: «Dadurch wird die Lebenssituation armer Familien nicht verbessert, sondern verschärft.»

Quelle: Netdoktor.de vom 25.08.2003

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