Kinder / Jugendliche

Ritalin: Zappelphilipp-Medikament mit Spätfolgen und Suchtgefahr

Hamburg (dpa) - Der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther hat vor möglichen Spätfolgen des Medikaments Ritalin gewarnt, das in großem Maß bei der Behandlung von hyperaktiven Kindern verschrieben wird. Auch wenn es dafür noch keine Nachweise gebe, könne Ritalin unter Umständen die Parkinson-Krankheit begünstigen, sagte Hüther dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Von Jugendlichen wird Ritalin nach Informationen von "Focus" als Droge mit Kokain-ähnlicher Wirkung genommen. "Ein Missbrauch des Wirkstoffs kann nicht ausgeschlossen werden", sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, laut "Focus". Ritalin wird gegen Hyperaktivität (ADHS) vor allem bei Grundschulkindern verschrieben, die wegen mangelnder Selbstkontrolle im Klassenzimmer auffällig werden. Nach "Spiegel"-Angaben schlucken weltweit rund 10 Millionen Kinder den Wirkstoff Methylphenidat. Experten gehen laut "Spiegel" von mindestens 160 000 ADHS-kranken Kindern in Deutschland aus. Allein im Zeitraum von 1995 bis 2000 habe die Pharmaindustrie ihren Ritalin-Absatz in Deutschland um das Zehnfache auf 13,5 Millionen Tagesdosen gesteigert. Nach Darstellung Hüthers, Professor für Neurobiologie an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen, verhindert Ritalin, dass im Hirn ständig der anregende Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird. Spätfolgen seien nicht ausgeschlossen, sagte der Wissenschaftler. In einigen Jahren könnten so viele Parkinson-Fälle bereits bei 40-Jährigen auftreten. Ein Sprecher des Ritalin-Herstellers Novartis sagte in Basel, bei der Warnung handele es sich lediglich um eine weitere Theorie, "die wir auch ernst nehmen". "Das Medikament muss verantwortungsbewusst verschrieben werden", sagte der Novartis-Sprecher. Nach "Focus"-Angaben missbrauchen immer mehr ältere Jugendliche an deutschen Schulen Ritalin als euphorisierende Droge, die wie Kokain geschnupft werden könne. "Es ist ungut, dass Ärzte, die nicht auf Aufmerksamkeitsstörungen spezialisiert sind, Ritalin-Rezepte ausstellen", sagte Thomas Poehlke, Suchtmediziner aus Münster, dem Blatt. (ol)

Quelle: Netdoktor.de vom 11.03.2002

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