Sozialpsychatrie
Soziotherapie soll psychisch Kranke motivieren
(naps/rh/sp). Schwer psychisch Kranke sind häufig nicht in der Lage, die erforderlichen medizinischen Hilfen zu akzeptieren und selbständig in Anspruch zu nehmen. Soziotherapie nach § 37a SGB V soll hier den Betroffenen entgegenkommen. Die Durchführung im ambulanten Bereich regelt seit Januar 2002 ein Papier des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen unter dem Titel "Soziotherapie-Richtlinien", veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 217 (S. 23735) vom 21.11.2001.
Demnach kann eine durch die Krankenkasse genehmigte Soziotherapie verordnet werden, "wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese nicht ausführbar ist". Die Verordnung dürfen nur Ärzte vornehmen, die "die Gebietsbezeichnung Psychiatrie oder Nervenheilkunde" führen. Notwendig ist deren Erklärung über "die Kooperation in einem gemeindepsychiatrischen Verbund oder in vergleichbaren Versorgungsstrukturen".
Zweifelsfrei können andere Vertragsärzte den Patienten überweisen. Nimmt der Patient diese Überweisung nicht selbständig in Anspruch, kann der überweisende Arzt einen soziotherapeutischen Leistungserbringer per Verordnung hinzuziehen. Ziel ist die Motivierung des Patienten, die Überweisung wahrzunehmen.
Das Gesamtkontingent der Soziotherapie beträgt bis zu 120 Stunden je Krankheitsfall innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren. Anspruchsberechtigt sind vor allem Personen mit einer schweren Erkrankung aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises oder einer depressiven Episode mit psychotischen Symptomen. Hinzukommen als besonderes Kennzeichen der Erkrankungen die "Fähigkeitstörungen", wie z.B. die "Beeinträchtigung durch Störung des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit, oder die "mangelnde Compliance im Sinne eines krankheitsbedingt unzureichenden Zugangs zur eigenen Krankheitssymtomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen".
Soziotherapie findet im sozialen Umfeld der Betroffenen statt und unterstützt einen Prozess zur Förderung von sozialer Kompetenz und einen besseren Umgang mit der Erkrankung. Dabei analysiert der Leistungserbringer nicht nur die häusliche, soziale und berufliche Situation des Patienten, er kann auch Familienangehörige, Freunde und Bekannte zur Unterstützung einbeziehen. Außerdem soll der Leistungserbringer nach einem soziotherapeutischen Betreuungsplan die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung und verordneter Leistungen für den Patienten koordinieren. Um die Therapieziele zu erreichen, kann Soziotherapie auch den Patienten an komplementäre Dienste heranführen. Außerdem soll sie Patienten motivieren, diese Leistungen überhaupt in Anspruch zu nehmen.
Besonders wichtig: Soziotherapie leistet aufsuchende Hilfe in Krisen- und Notsituationen. Sie umfasst sowohl aktive Hilfe und Begleitung als auch Anleitung zur Selbsthilfe. Dabei soll Soziotherapie den Patienten zur Selbständigkeit anleiten und ihn so von der soziotherapeutischen Betreuung unabhängig machen.
Anmerkung
Suchtkranke und gerontopsychiatrische Patienten, aber auch Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen werden in den Richtlinien nicht berücksichtigt. Zudem vermindere die Festlegung eines Schweregrades der Fähigkeitsstörungen von höchstens 40 Prozent die Zahl potentieller Klienten um mehr als die Hälfte, so Experten. Nach dem Dokument "Gemeinsame Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen gemäß § 132b Abs. 2 SGB V zu den Anforderungen an die Leistungserbringer für Soziotherapie" (Fassung vom 29. November 2001) sind als Fachkräfte Diplom-Sozialarbeiterlnnen/-Sozialpädagoglnnen und Fachkranken- schwester/-Pfleger für Psychiatrie vorgesehen. Sie müssen mindestens über eine dreijährige psychiatrische Berufspraxis verfügen, davon mindestens ein Jahr in einem allgemeinpsychiatrischen Krankenhaus mit regionaler Versorgungsverpflichtung sowie ein Jahr in einer Einrichtung der ambulanten sozialpsychiatrischen Versorgung. Ein unabdingbares Muss ist die Fortbildung. Nicht vorgesehen ist ein Gesundheitsberuf "Soziotherapeut" mit eigenem Ausbildungsprofil.
--> Informationen zur Soziotherapie, Richtlinien, Empfehlungen:
www.lichtblick-newsletter.de/thesozio.html
Quelle: Lichtblick-newsletter.de vom 19.08.2002
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