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Ärzte besorgt über "Internet-Suizid": Hilfsangebote online ausbauen

München (dpa) - Suizid-Foren im Internet werden für gefährdete Menschen nach Auffassung von Fachleuten zu einer zunehmenden Gefahr. In Deutschland gebe es nach Schätzungen rund 30 derartiger Foren, in denen Menschen Möglichkeiten zur Selbsttötung austauschten, ihren eigenen Suizid ankündigten oder Abschiedsbriefe veröffentlichten, berichtete am Freitag Psychiater Ulrich Hegerl von der Ludwig- Maximilians-Universität-München (LMU). Weltweit dürften es mehrere 100 Foren sein, Tendenz steigend. Zugleich nutzten Betroffene aber auch verstärkt professionelle Hilfsangebote sowie Selbsthilfeforen im Internet, sagte Hegerl. Diese Angebote müssten ausgebaut werden. Allein im Jahr 2000 seien ein Dutzend "Internet-Suizide" in Deutschland registriert worden. Das Phänomen gebe es aber auch in anderen europäischen Ländern und in den USA. Vor allem Jugendliche seien gefährdet, sagte der Münchner Psychiater Patrick Bussfeld. Vor zwei Jahren etwa sorgte der gemeinsame Suizid einer 17 Jahre alten Österreicherin und eines 24 Jahre alten Norwegers für Schlagzeilen, die sich über Internet zu der Tat verabredet hatten. Es handele sich um eine Subkultur, in der Selbsttötung teilweise verherrlicht und überhöht werde. "Viele reizt der Tabubruch", sagte Bussfeld. "Was für manche nur ein Spiel mit dem Feuer ist, wird für andere zur akuten Lebensgefahr." Dabei spiele auch der Nachahmungseffekt eine Rolle. Die strafrechtlichen Möglichkeiten gegen die Betreiber derartiger Suizid-Foren seien begrenzt, sagte LMU-Professor Hegerl. Es handele sich um juristisches Neuland. Unterdessen steigt auch die Nachfrage nach qualifizierter Information im Internet. Allein die Homepage des Forschungsprojekts Kompetenznetz Depression werde von mehr als 1000 Nutzern täglich besucht, betonte Hegerl, der das Projekt an der LMU betreut. Jährlich begehen etwa 12 000 Menschen in Deutschland Suizid. In 90 Prozent der Fälle handele es sich aber nicht um eine freie Entscheidung. "Den Freitod gibt es in der Belletristik", sagte Hegerl. "In der Realität stehen dahinter meist ernste Erkrankungen wie Süchte oder Depression."

Quelle: Netdoktor.de vom 27.04.2002

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