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Programm für mehr Prävention soll Suizidrate senken

Von Christine Xuân Müller
Berlin (ddp). Mit dem bisher größten Suizidpräventionsprogramm machen sich 30 Institutionen und Organisationen in Deutschland für die Senkung der Suizidrate stark. Eine groß angelegte Aufklärungskampagne soll helfen, die Zahl der Suizidfälle um 20 bis 40 Prozent zu senken. Mehr als 11 000 Bundesbürger nehmen sich jährlich das Leben. Die Anzahl der Suizidversuche werde auf über 100 000 pro Jahr geschätzt, sagte der Initiator des Programms, Professor Armin Schmidtke von der Universität Würzburg, am Dienstag in Berlin.

So sollen unter anderem die Medien davon überzeugt werden, weniger "verherrlichend" über Selbstmorde zu berichten. Schmidtke verwies auf das Beispiel des Musikers Kurt Cobain, der sich 1994 tötete. Durch schnelle aufklärende Berichterstattung sei damals die Nachahmerquote geringer als befürchtet ausgefallen.

Die Initiatoren wollen außerdem erreichen, dass die Deutsche Bahn Zäune an den Strecken errichtet, damit suizidgefährdete Menschen nicht die Gleise betreten können. Außerdem sollen Loks mit hellen Scheinwerfern ausgestattet werden. "Suizidale stehen nicht gerne im Licht", begründete Schmidtke den Vorstoß.

Angedacht ist auch - wie etwa in den USA - an Brücken Schilder anzubringen mit Aufschriften wie: "Wenn Sie überlegen sich umzubringen, rufen Sie vorher diese Nummer an ....!" Bestimmte Medikamente sollen nur noch in kleineren Packungsgrößen verkauft werden. Und in Schulen seien Ausbildungs- und Aufklärungsprogramme für Lehrer geplant, mit denen sie besser erkennen können, ob ein Schüler suizidgefährdet ist und interveniert werden muss. "Viele Pädagogen wundern sich, wenn bei einem Jugendlichen plötzlich die Schulleistungen rapide abfallen - sie fragen aber nicht nach den Gründen", sagte Schmidtke.

Statistisch gesehen kommt es in Deutschland alle 45 Minuten zu einem Suizid und alle 4 Minuten zu einem Selbstmordversuch. Suizidversuche kommen bei jungen Frauen dreimal so häufig vor wie bei jungen Männern. Bei den Selbstmorden ist das Verhältnis umgekehrt. So starben im Jahr 2000 im Bundesgebiet 8131 Männer und 2934 Frauen durch Selbsttötung.

Bei Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren ist Selbstmord nach Autounfällen die zweithäufigste Todesursache. Psychische Krankheiten seien der häufigste Grund für Selbstmord, sagte Schmidtke. Zudem komme es in sozial schwächeren Gruppen häufiger zum Freitod.

Zwischen den Bundesländern gibt es beträchtliche Unterschiede. So hatte Sachsen im Jahre 1999 die höchste Suizidrate mit 18 Toten auf 100 000 Einwohner, das Saarland hatte mit 9,2 die niedrigste Quote. Nach Sachsen folgten Thüringen, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Bayern, Brandenburg, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen.

An dem "Nationalem Suizidpräventionsprogramm" beteiligen sie unter anderen das Bundesgesundheitsministerium, der Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie Fachgesellschaften, Psychiatrische Krankenhäuser und die Spitzenverbände der Krankenkassen.

Quelle: Lichtblick-newsletter.devom 26.11.2002

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