Depressionen
Leichte Depression: Antidepressiva wirken nicht
München (netdoktor.de). Millionen von Menschen nehmen Antidepressiva möglicherweise vergeblich. Forscher haben in einer großen Untersuchung herausgefunden, dass die Gabe von Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) nicht mehr bringt als die Gabe von Plazebo-Pillen. Damit macht sich der Autor der im Online-Fachmagazin "PLoS Medicine" (Public Library of Science Medicine, Bd. 5, e45) veröffentlichten Arbeit, Irving Kirsch von der University of Hull, keine Freunde auf Seiten der Pharmaindustrie: 40 Millionen Menschen nehmen der Tageszeitung "Guardian" zufolge alleine den Prozac-Wirkstoff Fluoxetin ein. Damit trifft die Studie die Industrie ein weiteres Mal, denn SSRIs stehen auch in der Kritik, weil sie die Selbstmordraten junger Patienten unter SSRI steigern. Zusammen mit fünf weiteren Forschern aus Nordamerika untersuchte Kirsch Daten aus 47 veröffentlichten und unveröffentlichten Klinikstudien. Untersucht wurden die vier besonders häufig verschriebenen Medikamente, deren Hauptwirkstoffe Fluoxetin und Paroxetin zur Kategorie der SSRIs gehören sowie ein weiteres Medikament, Venlafaxin. Die Daten kamen von der US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA). „Der Unterschied in der Besserung bei Patienten, die Placebos nehmen und Patienten, die Antidepressiva nehmen, ist nicht sehr groß", fasst Kirsch das Ergebnis seiner Analyse zusammen. Alleine bei sehr schweren Depressionen würden SSRIs überhaupt wirken. Warum die vielen Studien vorher nicht zu diesem Schluss kamen, dafür liefert Kirsch gleich eine Begründung mit: In seiner Analyse bezog Kirsch nicht nur veröffentlichte Studien ein, sondern auch jene, die wegen zu wenig konkreter Ergebnisse in den Pharma-Schubladen verschwanden. Dabei ist auch die Messung des Erfolgs kritisch. Verglichen wurden nämlich Werte auf einer Punkte-Skala als Messinstrument für die Depression. Anhand der schwindenden depressiven Symptome sollte eine Verbesserung erkannt werden. Verständlich, dass bei sehr schweren Depressionen mit Vereinsamung, Gefühllosigkeit und Selbstmordgedanken eher Erfolge erzielt werden können als bei leichten depressiven Verstimmungen mit Antriebslosigkeit. Aus den Ergebnissen folgert Kirsch dennoch: Es gäbe keinen Grund, SSRIs an Patienten zu verschreiben, die nicht unter schwersten Depressionen litten und bei denen andere Therapien nichts nützten.
Quelle: Netdoktor.de vom 26.02.2008
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