Kinder / Jugendliche
Seelische Schäden: Immer mehr depressive Kinder
Stuttgart (dpa) - Rund eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland sind nach Experteneinschätzung seelisch krank. Neben emotionalen und sozialen Verhaltensstörungen und Aufmerksamkeitsdefiziten behandelten Psychiater und Psychotherapeuten immer mehr Kinder mit Ängsten und Depressionen, sagte die Vorsitzende des Berufsverbandes der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland, Christa Schaff. "Depressive Heranwachsende werden schneller übersehen als etwa Hyperaktive", sagte Schaff. Sie seien oft still, traurig, angepasst und einsam. Andere Auffälligkeiten, wie sozialer Rückzug, Kopfschmerzen oder Unzufriedenheit seien häufige Begleiter einer Depression bei unter 18-Jährigen. Bei ihrem Umfeld fänden die Kranken manchmal wenig Unterstützung: "Ein Erwachsener will meist gar nicht wissen, dass schon Kinder und Jugendliche depressiv sein können." Dennoch gebe es für seelisch kranke Heranwachsende bereits gute Konzepte für eine ganzheitliche Behandlung. "Wir schauen zum einen auf Krankheiten und körperliche Behinderungen, das andere Bein haben wir in der Psyche", erklärte die Fachärztin aus Weil der Stadt (Kreis Böblingen). Um nach einer eingehenden Diagnose ein schlüssiges Therapiekonzept zu entwickeln, müssten neben den Fachärzten auch beispielsweise Heilpädagogen und Sozialarbeiter einbezogen werden. Dies geschehe in den so genannten sozialpsychiatrischen Praxen, von denen es bereits etwa 500 in Deutschland gebe. Problematisch sei jedoch, dass diese Praxen "finanziell auf sehr wackligen Füßen" stehen. Schaff erläuterte, dass bisher lediglich Ersatzkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Verträge über die Bezahlung von fest angestellten Heilpädagogen und Sozialarbeitern in den Fachärztepraxen abgeschlossen hätten. "Die Primärkassen sperren sich noch immer gegen Verträge", bedauerte Schaff. So käme es, dass die Unkosten in den sozialpsychiatrischen Praxen kaum zu decken seien, die Ärzte trotz steigender Patientenzahlen keine Honorare erzielten. Neben der Heilung von seelischen Krankheiten achte der Berufsverband zudem auf die Möglichkeiten, seelische Krankheiten zu vermeiden. Hier müsse der Facharzt vor allem das soziale Umfeld von Kindern und Jugendlichen betrachten: "Eltern brauchen heute sehr viel mehr Beratung als früher." Schaff appellierte an die Erziehenden von Jugendlichen, auf die emotionale Entwicklung der Heranwachsenden zu schauen - "und nicht immer nur auf die Leistungen". Der Berufsverband wurde 1978 gegründet. Nach eigenen Angaben gehören von den insgesamt knapp 1000 Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland etwa 700 dem Berufsverband an.
Quelle: Netdoktor.de vom 16.11.2002
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